Site Overlay

Energiewende-Märchen im Gewand einer Investitionsrechnung

Mit der FAZ im Dreischritt zur ökonomischen Wahrheit

In der Frankfurter Allgemeinen Regierungszeitung gibt es regelmäßig eine Kolumne des Autoren Volker Loomann, in der Alltagsprobleme mit dem Instrumentarium der Investitionsrechnung analysiert werden. Die Beiträge folgen immer einem identischen Ritual:

  1. Es wird ein Problem vorgestellt (z.B. Ist es günstiger eine Wohnung zu mieten oder soll ich lieber eine Eigentumswohnung erwerben?)
  2. Anschließend werden zu dem Problem Kernannahmen getroffen (z.B. monatliche Kaltmiete, Kreditkonditionen, Finanzierungsform, Preis der Eigentumswohnung, Nutzungsdauer der Wohnung, geschätzter Wiederverkaufswert).
  3. Diese Daten werden dann in eine Tabellenkalkulation eingeklimpert, und es wird mit dem Instrumentarium der Schmalenbachschen Investitionsrechnung eine Rendite ermittelt.

Mutet alles objektiv und analytisch an. Nicht minder wissenschaftlich als z.B. die Modellprognosen der Covid-Toten vom Imperial College. Oder es klingt nicht weniger seriös als die Limits of growth Studie des Club of Rome von 1972, nach der allerspätestens in 50 Jahren sämtliche Erdölvorräte erschöpft sein würden. Oder es mutet so wissenschaftlich an wie die – follow the science! – aktuelle Untergangslyrik zur Klimakatastrophe, nach der 97% aller ‘Wissenschaftler’ der Hypothese vom menschengemachten Klimawandel zustimmen und der Menschheit nur noch ganz wenig Zeit bis zum Weltuntergang bleibt. Nur gibt es auf dem Friedhof für Fehleinschätzungen halt ein extra großes Gräberfeld für krachend gescheiterte Modellrechnungen von Wissenschaftlern…

Warum ich nichts von der Loomann-Kolumne halte

Während viele Bekannte aus meinem persönlichen Umfeld die Loomann-Beiträge immer mit großem Interesse verfolgen, habe ich mich eigentlich nie wirklich dafür erwärmen können. Hauptsächlich stören mich dabei 2 Dinge:

  • Wer je mit Zinskurven an einem Bankhandelstisch gearbeitet hat, weiß, dass die Schmalenbachsche Investitionsrechnung ein ziemlich antiquiertes und grobschlächtiges Instrumentarium zur Beurteilung eines Investitionserfolges ist. Das muss kein Nachteil sein, aber man sollte es im Hinterkopf behalten, wenn jemand eine auf 2 Dezimalstellen genau berechnete Renditekennziffer präsentiert. Das riecht für mich dann immer nach Scheinpräzision.
  • Meine Hauptkrititk ist aber eine andere: Immer wenn Wissenschaftler (oder Leute, die sich dafür halten) mit Modellen operieren, rückt zwangsläufig die “Mechanik” des Modells in den Mittelpunkt des Interesses. Diese Interessenverlagerung in Richtung Modellmechanik erfolgt nach meiner Beobachtung ganz häufig auf Kosten der Qualität der Annahmen, die in das Modell einfließen. Ob diese Annahmen sinnvoll und realistisch sind, ggf. kleinste Änderungen in den Parametern zu massiven Ausschlägen im Ergebnis führen (und sich damit praktisch jedes beliebige Ergebnis produzieren ließe), ist bestenfalls noch Gegenstand einiger Fußnoten.

100% Autarkie dank Solaranlage im Energiewende-Paradies

Zu welch massiven Fehleinschätzungen dieses unreflektierte Durchrattern von immer gleichen Modellritualen führen kann, erkennt man im aktuellen Beitrag von Loomann, der die ökonomische Sinnhaftigkeit einer Dachsolaranlage auf einem Einfamilienhaus unter dem reißerischen Titel Wie eigener Solarstrom für hohe Renditen sorgt analysiert. Der Beitrag befindet sich hinter der Paywall, ich würde ihn aber noch nicht einmal geschenkt für lesenswert halten.

Loomann kommt dabei zum Ergebnis, dass eine Dachsolaranlage für 20’000 EUR mit einer Leistung von 10 kWp stolze 13,38% Rendite einspielt. Er bezeichnet das als ein “exzellentes Ergebnis” – eine Einschätzung, der ich beipflichten würde, wenn denn der Prämissenrahmen realistisch wäre.

Das ist er aber leider nicht: Der größte Schnitzer besteht darin, dass Loomann davon ausgeht, dass man mit der Anlage den Eigenbedarf (er veranschlagt üppige 6’000 kWh/a) zu 100% decken kann. Das öffentliche Stromnetz existiert im Loomannschen Modell lediglich, um die verbleibenden 4’000 kWh der Jahresleistung gegen eine Einspeisungsvergütung abzuladen – auf dass sich die Netzbetreiber darum kümmern, für den am Markt vorbei produzierten Strom einen Nachfrager zu finden…

Bleibt die spannende Frage: Wie schafft die Solaranlage es, bei Nacht und an sonnenarmen Tagen, an denen es gerade im Winter nicht mangelt, den Strom für den Betrieb des Durchlauferhitzers, der Wärme- oder Heizungspumpe, der Gefrierkombi, der Regelungs- und Unterhaltungselektronik und der Beleuchtung des EFH zu erzeugen?

Von der Modellwelt zur Realität

Monatsgenaue Leistungserhebung der Hochschule Trier

Wie abwegig die Loomannschen Berechnungen sind, zeigt sich spätestens, wenn man auf Monatsausbeuten der PV-Anlage abstellt. Loomann unterstellt ja, dass die Solaranlage über das ganze Jahr hinweg rund um die Uhr immer exakt den Eigenverbrauch plus x erzeugt, wobei x dann ins öffentliche Netz gegen Vergütung eingespeist werden soll.

Widmen wir uns zunächst einmal der Frage, wie stabil der Verbrauch über die einzelnen Monate ist. Laut musterhaushalt.de ist der Verbrauch annähernd gleichverteilt. Etwas höher in den Wintermonaten, etwas niedriger in den Sommermonaten. Der Durchschnittshaushalt verbraucht im Juni mit 7,6% den geringsten und im Januar mit 9,3% den höchsten Anteil des Jahresverbrauchs. Insgesamt alles hinreichend nah an 1/12=8,3%

Einschränkend anzumerken ist, dass die Datenbasis auf den Jahren zwischen 1992 und 2008 beruht. Insofern ist davon auszugehen, dass Wärmepumpen noch keine Rolle gespielt haben.

Zu der Frage, wie sich die Jahresausbeute von PV-Anlagen auf die einzelnen Monate verteilt, gibt es eine interessante – und dankenswerterweise ideologiefreie – jährliche Erhebung der Hochschule Trier.

Für den PLZ-Bereich 60xxx (also den Sitz der Frankfurter Allgemeinen Regierungszeitung, in der der Loomannsche Unfug veröffentlicht worden ist) ergibt sich folgendes:

Über die sonnenreichen Monate (März bis September) ergibt sich bei einem angenommen Monatsverbrauch von 500 kWh eine Überschussproduktion von gut 5’000 kWh, die zu 8 ct/kWh ins öffentliche Netz “entsorgt” werden muss.

In den sonnenarmen Monaten (Oktober bis Februar) ergibt sich spiegelbildlich ein Defizit von 1’000 kWh, das aus dem öffentlichen Netz zum regulären Tarif von 35 ct/kWh bezogen werden muss.

Somit wird schon mal die Annahme von Loomann widerlegt, dass die 10 MWh Jahresausbeute sich auf 6 MWh Eigenverbrauch und 4 MWh vergütetete Einspeisung aufteilen. Bei idealisiertem Verbrauchsverhalten wären rein meteorologisch bestenfalls 5 MWh Eigenverbrauch, 1 MWh zusätzlicher Bezug aus dem Netz und 5 MWh Einspeisung möglich.

Das allein wäre halb so wild, denn dann müsste die Berechnung von Loomann lediglich um jährlich ca. 270 EUR (1000 kWh mehr, die im Sommer billig eingespeist und im Winter teuer zurückgekauft werden müssen) korrigiert werden. Bei einer jährlichen Return von über 2’000 EUR kein Beinbruch.

Nur beinhaltet das halt immer noch zahlreiche unrealistische Annahmen:

  • In den sonnenstarken Überschussmonaten werden alle Geräte exakt und nur dann eingeschaltet, wenn die Solaranlage gerade die entsprechende Leistung liefert. Sinkt die Leistung der Anlage, müssen sofort zeitgleich Verbraucher abgeschaltet werden. Solange Dunkelheit herrscht, wird kein einziges elektrisches Gerät betrieben. Bei Sonneneinstrahlung darf die Gesamtlast der Verbraucher niemals über der aktuellen Leistung der Anlage – und erst recht nicht über der theoretischen Spitzenleistung der Anlage (10 kW) liegen. Also kein Duschen mit Durchlauferhitzer (10 – 20 kW), zeitgleicher Betrieb von 2 Herdplatten und Backofen, während der Wasserkocher und die Mikrowelle laufen usw.
  • In den sonnenarmen Defizitmonaten müssen Verbraucher immer exakt in der Höhe der aktuellen Leistung der PV-Anlage zu- und abgeschaltet werden, damit eine 100%ige Entnahme des eigenerzeugten Stroms sichergestellt ist. Für eine darüber hinausgehende Nutzung besteht ein Kontingent von 1’000 kWh, das über die 4 Monate von Oktober bis Februar sonnenunabhängig verbraucht werden darf. Sobald dieses Kontingent erschöpft ist, kann die Stromentnahme nur noch bei entsprechender Leistung der PV-Anlage erfolgen. (Viel Spaß bei der Umsetzung…)

Eigenverbrauchsanteil über den Daumen gepeilt

Realitätstauglicher sind vermutlich die Angaben, die PV-Betreiber zu ihrem Eigenverbrauch machen. Aus meinem persönlichen Umfeld werden mir Werte bis zu 30% der Gesamtproduktion zugerufen (bei höheren Werten sind kostenintensive Stromspeicher im Spiel). Allerdings habe ich nicht selten den Eindruck, dass diese Bekannten – Stichwort kognitive Dissonanz – zur Übertreibung neigen, wenn es um die rückblickende Beurteilung ihrer Investitionsentscheidung geht.

Laut DWD beliefen sich die Sonnenstunden in Deutschland im Jahr 2022 auf rund 2’000 (je nach Bundesland zwischen 1’910 h und 2’185 h). Ohne jetzt auf die Frage einzugehen, wie der DWD eine Sonnenstunde definiert und ob diese Definition deckungsgleich mit den Betriebsvoraussetzungen für die Solarstromproduktion ist: Pi mal Daumen könnte man demnach zu rund 23% der Zeit aus der Solaranlage Eigenstrom beziehen.

Diese Pi-mal-Daumen Rechnung deckt sich ziemlich gut mit den im Internet kursierenden Richtwerten für den Eigenverbrauch. Je nach Autor werden zwischen 20 und 30% veranschlagt. Die von mir verlinkte Seite geht bei 6 MWh Jahresverbrauch von 20% Eigenverbrauchsquote aus. Wie sich die Investitionsrechnung verändert, wenn 80% des von Loomann mit Grenzkosten von 0 ct/kWh veranschlagten Eigenverbrauchs zum regulären Tarif aus dem öffentlichen Netz bezogen werden müssen, kann sich jeder selbst ausmalen.

Ending on a positive note…

Eigentlich wollte ich an dieser Stelle noch einen ökonomischen Verriss zu Balkon-Solarkraftwerken verfassen. Nur könnten diese tatsächlich einen ökonomischen Nutzen haben.

Das Kernproblem der vollwertigen PV-Anlagen besteht ja darin, dass der Großteil (ca. 80%) des erzeugten Stroms gar nicht verwendet werden kann und zu einem für den Erzeuger gänzlich unattraktiven (aber ökonomisch mehr als gerechtfertigten!) Entgelt ins öffentliche Netz eingeleitet wird.

Solange nun aber die PV-Anlage entsprechend klein ausgelegt ist, sorgen ständige Verbraucher wie Kühlschrank, Router usw. für eine ausreichende “Grundlast”, um eine entsprechend hohe Eigennutzungsquote zu erzielen. Hinzu kommen diskretionäre Verbraucher wie Spül- und Waschmaschine, die man zumindest in den Sommermonaten gezielt einschalten kann, wenn die Kleinanlage gerade nahe ihres Leistungspeaks arbeitet.

Balkon-PV-Betreiber berichten von Eigenverbrauchsquoten um die 70%, in einem anderen Beitrag lese ich etwas von 80% Eigenverbrauchsanteil für eine übliche 600 Wp-Anlage, die bei ca. 700 EUR handelt. Bei exakt südlicher Ausrichtung und 30 Grad Neigung ergibt sich eine Ausbeute von rund 600 kWh/a. Wir rechnen mit einem Eigenverbrauchsanteil von 75% und kommen auf 450 kWh/a Stromeinsparung.

Bei konstant 35 ct/kWh und vorsichtig veranschlagten 6 Jahren Nutzungsdauer entspräche dies einer internen Verzinsung von gut 9% p.a.