Ob nun Unternehmens-Treasurer, private Investoren oder Kämmerer – wann immer ich mich über Zinsderivate unterhalte, taucht irgendwann das Wort “Restrukturierung” auf.
Was bedeutet eigentlich eine Restrukturierung, wie sie von Banken immer wieder gerne angeboten wird? Weshalb sollten Kunden bei derartigen Vorschlägen genau hinschauen und worin bestehen die Gefahren? Welche Alternativen bieten sich zur Restrukturierung?
Ausgangssituation vor der Restrukturierung
Anlass für eine Restrukturierung ist immer ein Altderivat, welches dem Kunden bislang deutliche Verluste in Form eines negativen Marktwertes beschert hat. Sitzt ein Kunde einmal auf einem verlustreichen Derivat, dann hat er drei Möglichkeiten:
- Terminierung: Er steigt aus dem Derivat aus und muss der Bank dann den negativen Marktwert in bar bezahlen. Im Gegenzug erlischen sämtliche Zahlungsverpflichtungen aus dem Altvertrag für beide Parteien.
- Aussitzen: Der Kunde unternimmt gar nichts und hofft darauf, dass sich der Markt in Zunkunft so zu seinen Gunsten entwickelt, dass die bisherigen Verluste ausgeglichen werden. Vornehme Leute bezeichnen diese Option häufig als “Zuwarten”.
- Restrukturierung: Der Kunde löst das Altgeschäft auf, bezahlt aber nicht den negativen Marktwert. Stattdessen wird dieser negative Marktwert dann in einen neuen Abschluss “einstrukturiert”.
Terminierung
Bei professionellen Anlegern gibt es häufig eine “Stop Loss” Marke für jedes Geschäft. Übersteigt ein Verlust diese Marke, muss ein sofortiger Ausstieg aus dem Derivat erfolgen. Das mag bitter sein, denn durch den Ausstieg werden bisherige Verluste in Form des negativen Marktwertes und vergangener Zahlungen definitiv. Gleichwohl ist es die sauberste Variante, um sich aus einem Engagement zu lösen, bevor (wie so häufig) noch höhere Verluste eintreten.
Für professionelle Bankhändler ist ein derartiger Ausstieg aus verlustbringenden Geschäften übrigens Routine. Zu Beginn meiner Händlerkarriere saß ich im Handelsraum neben einem Prop Trader, der bei Erreichen seiner Stop Loss Marke nur lapidar anmerkte: “Could have been worse – could have been my own money.”
Man könnte nun entgegnen, dass ein so unbekümmerter Umgang mit einem Verlust von mehreren hunderttausend Euro ja geradezu skandalös sei. Gleichwohl schützt diese Offenheit im Umgang mit Verlusten sowohl den Händler als auch die Bank davor, dass aus einem sechsstelligen Verlust ein achtstelliger wird. Dementsprechend haben die Banken sogar ein berechtigtes Interesse an einem emotionslosen Umgang mit Verlusten, die im Aufbau begriffen sind. In sog. “Limit-Vereinbarungen” müssen die Händler u.a. unterschreiben, dass sie ab bestimmten Tagesverlusten die Position sofort glattstellen. Umgekehrt sind Skandale, in denen Händler Milliardensummen versenkt haben, immer auf die Missachtung der Limit-Vorgaben zurückzuführen.
Aussitzen und Hoffen
“Aegroto, dum anima est, spes est.” habe ich vor langer Zeit im Lateinunterricht gelernt: Solange der Kranke lebt, bleibt ihm die Hoffnung.
Das “Prinzip Hoffnung” hat gerade im Zuge der Aufwertung des Schweizer Franken wieder Hochkonjunktur. Denn etliche Darlehen sind als sogenannte synthetische Fremdwährungsdarlehen konstruiert worden, bei denen ein in EUR denominiertes Darlehen durch einen Zins-Währungs-Swap in ein CHF-Darlehen verwandelt wurde. Genau dieser Swap – ursprünglich von den Banken als Instrument zur Senkung der Zinslast beworben – beschert privaten Bauherren (vornehmlich in Süddeutschland), Unternehmen und Kämmerern in der ganzen Republik nun herbe Verluste.
Regelmäßig – nicht nur bei Zins-Währungs-Swaps sondern auch bei anderen Zinsderivaten – stellen mir Betroffene die Frage, ob denn ihre Derivate nicht wieder in die Gewinnzone kommen könnten, wenn der Markt sich zukünftig wieder zu ihren Gunsten entwickelt. Gerne wird darauf verwiesen, dass der Verlust ja bislang “nur auf dem Papier” bestehe und noch nicht realisiert sei. Das wirft gleich zwei spannende Fragen auf:
- Ist ein Verlust in Form des negativen Marktwertes eigentlich harmlos?
- Wie realistisch ist die Hoffnung, dass Derivatverluste durch eine mögliche Marktdrehung in der Zukunft wieder ausgeglichen werden können?
Auf beide Fragen ist die Antwort aus Sicht der geschädigten Kunden leider ziemlich ernüchternd. Aber der Reihe nach…
Negativer Marktwert eigentlich kein Verlust?
Das erste große Missverständnis ist, dass ein negativer Marktwert ja eigentlich gar kein Verlust sei, weil er lediglich eine theoretische Größe darstelle, die sich zukünftig noch ändern könne. Ganz aktuell ein Statement aus der Neuen Osnabrücker Zeitung, was in dieser oder ähnlicher Form landein, landaus zu hören ist:
Der Verlust steht bisher nur auf dem Papier. Er würde realisiert, wenn die Stadt die in Schweizer Franken aufgenommenen Kredite nicht verlängern würde. Aber daran denkt niemand, wie während einer Pressekonferenz am Dienstag deutlich wurde.
Derartige Halbwahrheiten werden auch gerne von Vertriebsmitarbeitern der Banken geäußert, wenn sie über den negativen Marktwert besorgte Kunden beschwichtigen möchten.
Das ist insofern überraschend, als die Vertriebler der Banken damit ihren Kunden empfehlen, sich genau so zu verhalten, wie es den Händlern der eigenen Bank durch die Limit-Vereinbarungen ausdrücklich verboten ist (s.o.). Würde ein Händler ein Limit mit der Begründung missachten, dass es sich ja lediglich um einen negativen Marktwert aber keinen “echten” Verlust handele, wäre ihm die sofortige Kündigung sicher. Richtig ist vielmehr, dass eine professionelle Risikosteuerung von Zinsbüchern ausschließlich auf Basis der Bar- bzw. Marktwertbetrachtung erfolgen kann.
Kundenseitig fallen derartige Beschwichtigungsversuche jedoch regelmäßig auf fruchtbaren Boden. Das liegt nicht etwa daran, dass die Kunden alle dumm sind oder sich der Realität verweigern. Vielmehr wirken folgende Faktoren:
Bestätigungsfehler
Ein verunsicherter Kunde nimmt Informationen, die seine Ängste zerstreuen bereitwilliger und unkritischer auf, als solche Informationen, die seine Sorgen bestätigen. In der kognitiven Psychologie wird dieses Phänomen als “Confirmation Bias” bezeichnet.
Verharmlost ein Vertriebler einer namhaften Großbank den Charakter des negativen Marktwertes, so liefert er dem Kunden genau das, wonach dieser im Unterbewusstsein gesucht hat. Dabei verdrängt der Kunde, dass auch der Vertriebler handfeste Gründe dafür haben könnte, den Verlust in der Wahrnehmung des Kunden zu vernebeln:
- Es war i.d.R. der Vertriebler der Bank, der dem Kunden das nun verlustreiche Geschäft in der Vergangenheit nahegelegt hat.
- Räumt der Vertriebler den Verlust ohne weitere Beschönigungen und Relativierungen ein, so risikiert er, dass der Kunde keine neuen Geschäfte mehr abschließt.
- Ggf. hat die Bank auch für sich selbst bei Abschluss eine so hohe Marge einstrukturiert, dass das Derivat fast zwangsläufig einen Verlust für den Kunden erzeugen musste.
Fehlende Vertrautheit mit Barwert-Konzept
Oftmals ist das Konzept der Barwertbetrachtung aus Kundensicht auch reichlich abstrakt. Dies beginnt damit, dass die meisten Kunden noch nicht einmal die Möglichkeit haben, den Barwert eigenständig zu ermitteln und zu beobachten.
Gerade bei öffentlichen Haushalten kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu. Die seit Jahrhunderten bestehende Tradition der kameralistischen Haushaltsführung hat dafür gesorgt, dass Gebietskörperschaften ihren Haushalt in Kategorien von “Einnahmen” und “Ausgaben” im Rahmen des aktuellen Jahresfensters betrachten. Daran hat auch das Neue Kommunale Finanzmanagement wenig geändert, was im Kern zwar die kommunale Haushaltsrechnung einem Unternehmensabschluss annähert, die viel wichtigere Barwertbetrachtung aber weitgehend außen vor lässt.
Im Prinzip basiert daher ein Großteil der bankseitig unterbreiteten Vorschläge im Zins- und Schuldenmanagement öffentlicher Haushalte weniger auf tatsächlichen Einsparungsmöglichkeiten sondern vielmehr darauf, dass ein veraltetes Rechnungswesen auf Seiten der Gebietskörperschaften gegen die analytisch überlegene Barwertsteuerung ausgespielt wird.
Persönliche Motive
Ein Ökonomiezweig, der sich als “Neue Institutionenökonie” bezeichnet (und bereits ein paar Nobelpreisträger aufbieten kann), zeigt noch einen weiteren Faktor auf, der die Legendenbildung vom harmlosen “Papierverlust” begünstigt. Jemand, der von einem Kollektiv wie etwa Aktionären oder Steuerzahlern als Finanzvorstand, Minister oder Kämmerer mit der Betreuung eines gemeinsamen Vermögens beauftragt wurde, könnte ein Interesse an der Verharmlosung eines negativen Marktwertes haben, weil er befürchtet, ansonsten persönlich dafür verantwortlich gemacht zu werden.
In diesem Sinne wäre die Verbreitung der Legende vom “harmlosen Papierverlust” ein klassisches Prinzipal-Agent-Problem. Ich habe anfangs geglaubt, dass dieser Sachverhalt die verharmlosende Darstellung am stärksten begünstigt. Nach etlichen Gesprächen mit geschädigten Kontrahenten bin ich jedoch überzeugt davon, dass es vielmehr die ersten beiden Faktoren sind.
Einerseits hat die Vielzahl der Klagen Derivatgeschädigter in den letzten Jahren dazu geführt, dass etwaige Interessenkonflikte der beratendenden Banken als Verursacher und nicht etwa der Kämmerer und Unternehmenstreasurer als Repräsentanten der Geschädigten im Vordergrund stehen. Zudem sind sich die Verantwortlichen der geschädigten Kundenseite regelmäßig der Tatsache bewusst, dass sie mit ihrer Tätigkeit auch einer Vermögensbetreuungspflicht unterliegen. Ignorieren sie vorsätzlich Schädigungen dieses ihnen anvertrauten Vermögens, so laufen sie – selbst ohne eigene Bereicherungsabsicht – Gefahr, eine Straftat nach § 266 StGB zu begehen.
Dabei dürfte die Geld- oder Freiheitsstrafe, die für Untreue winkt, nicht einmal die schlimmste Gefahr für die Verantwortungsträger sein. Viel brisanter ist die Aussicht, im zweiten Schritt zivilrechtlich für die entstandenen Derivatverluste in Regress genommen zu werden. Wer sich für diesen Weg entscheidet, legt also freiwillig seinen eigenen Kopf für den der Bank auf das Schafott.
Aussicht auf Rückkehr in die Gewinnzone
Kommen wir nun zum zweiten Aspekt: Ist die Hoffnung realistisch, dass der Markt sich irgendwann wieder so dreht, dass zumindest eine “schwarze Null” als Ergebnis denkbar wäre? Gegen diese Hoffnung sprechen gleich mehrere Gründe:
Begrenzte Laufzeit des Derivats
Jedes Derivat hat zunächst eine vorgegebene Laufzeit. Damit unterscheidet es sich z.B. von einem Aktienengagement. Jemand der 1999 zum Preis von 39,50 EUR Aktien der Telekom gezeichnet hat, kann sich zumindest damit trösten, dass er vielleicht zwar nicht mehr selbst, wohl aber sein Kind oder Enkelkind eines Tages wieder den Einstandskurs sehen wird. Während ein klassisches Aktieninvestment einen praktisch unbegrenzten Anlagehorizont hat, den der Anleger nach eigenem Ermessen beliebig ausdehnen kann, enden die wechselseitigen Zahlungsströme aus einem Derivat zu einem festgelegten Zeitpunkt. Das Zeitfenster, welches für die Erholung bleibt, ist damit grundsätzlich ein viel engeres – und das ist dann auch schon mal das erste Problem.
Abnehmender Hebel bei Markterholung
Mein Haupteinwand, gegen die Hoffnung auf Besserung ist jedoch ein anderer: 95% aller Derivate, die mir in meiner Zeit als Derivathändler auf den Operationstisch gekommen sind, sind mit Eigenschaften ausgestattet, die es dem Kunden extrem schwer machen, von einer späteren Markterholung zu profitieren. Zu solchen “Killer-Features” gehören insbesondere:
Amortisierendes Nominalvolumen
Oft setzen die Derivate auf ein sog. tilgendes Darlehen auf. Mit den entsprechenden Tilgungszahlungen sinkt dann aber auch das Nominal im Derivat ab. Hofft ein Anleger bei linearer Tilgung darauf, dass er in der zweiten Hälfte der Anlagelaufzeit die Verluste aus der ersten Hälfte wieder ausgleichen kann, so müsste die erhoffte Erholung des Marktes in der verbleibenden Laufzeithälfte überschlägig mehr als viermal so stark ausfallen wie die Bewegung, die in der ersten Laufzeithälfte zum Verlust geführt hat – wohlgemerkt vom damaligen Einstandsniveau aus gerechnet.
Jemand der 2005 einen 20-jährigen Zahlerswap mit linearer Amortisation abgeschlossen hat, bräuchte zur heutigen Halbzeit im Jahr 2015 Zinssätze im deutlichen zweistelligen Bereich, um unbeschadet aus dem Geschäft auszusteigen.
Verzinsungseffekte
Es gibt zudem noch weitere Effekte, die das Ergebnis einer möglichen Markterholung dämpfen. Kaufleute werden an dieser Stelle anmerken, dass zukünftige Gewinne nicht 1:1 mit vergangenen Verlusten verrechenbar sind, weil die Verluste ja zinswirksam finanziert werden müssen. Einfacher ausgedrückt: Ein Euro, den ich vor 10 Jahren verloren habe, ist aufgrund der Verzinsung mehr wert als ein Euro, der mir erst heute oder in der Zukunft zufließt.
Konvexität
Derivatanalytiker werden zudem darauf verweisen, dass die sog. Konvexität bei Zahlerpositionen ebenfalls gegen den Kunden arbeitet. Dahinter verbirgt sich grob gesprochen der Tatbestand, dass der Barwert eines Zahlerswaps bei einem Zinsrückgang um 1 Bp stärker fällt als er bei einem Anstieg der Zinsen um 1 Bp steigt.
Bankseitig ausübbare Kündigungsrechte
Fatal für den hoffenden Kunden sind zudem Kündigungsrechte, welche die Banken für sich selbst in das Derivat eingebaut haben. Vermarktet werden sie meistens mit dem Argument, dass sie den in einem Zahlerswap vom Kunden zu entrichtenden Festzins senken. Rein rechnerisch wird die Optionsprämie, die die Bank dem Kunden für ein solches Kündigungsrecht zahlen müsste gegen den Festzins, den der Kunde der Bank zahlen muss verrechnet.
Mich hat bei derartigen Konstruktionen immer ein Schauder ergriffen – und zwar gleich aus mehreren Gründen:
- Derartige Optionsrechte sind für den Kunden noch schwieriger zu preisen als die (linearen) Swapkomponenten selbst.
- Bei amortisierenden Swaps müssen solche Kündigungsrechte als sog. Bermudan Swaptions modelliert werden. Selbst die bankseitigen Rechen-Grids – die erheblich stärker sind, als der übliche Windows PC mit Core i7 Prozessor – benötigen für das Pricing oft Minuten. Für digitale Rechenanlagen ist das eine kleine Ewigkeit und belegt, wie aufwändig die erforderlichen Pricing Algorithmen sind.
- Mit der faktisch unmöglichen Überprüfbarkeit des Pricings für den Kunden ist der Bank Tür und Tor geöffnet, dass sie den Kunden nicht nur auf dem Swap-Geschäft sondern auch gleich noch einmal bei der Bewertung der Kündigungsoption übervorteilt.
Der Haupteinwand gegen derartige Kündigungsrechte besteht aber darin, dass die Bank tendenziell gerade dann in die Lage versetzt wird, ohne Ausgleichzahlung aus dem Geschäft auszusteigen, wenn es sich endlich zu Gunsten des Kunden entwickelt. Selbst wenn also das zuvor dargestellte – äußerst unrealistische – Szenario einer ausreichenden Markterholung Realität würde, so würde es dem Kunden doch nichts nützen, weil die Bank dann sofort ihr Recht auf einen Ausstieg aus dem Derivat ausüben würde.
Restrukturierung
Kommen wir nun zur letzten Handlungsoption bei Derivatverlusten. Wie bereits erwähnt wird das Derivat im Rahmen einer Restrukturierung beendet. Im Gegensatz zur Terminierung zahlt der Kunde nicht den negativen Marktwert als Auflösungsbetrag, um aus dem Geschäft entlassen zu werden sondern schließt ein Neugeschäft ab.
Bleibt die spannende Frage: Was ist eigentlich mit dem negativen Marktwert des Altgeschäftes geschehen? Nicht selten suggerieren fleißige Sales Mitarbeiter der Banken ihrem Kunden, dass damit ja jetzt auch die unschönen Verluste aus dem Altgeschäft “erledigt” seien. Der Kontrahent vertraut dieser Aussage dankbar.
Was dem Kunden bei der Restrukturierung allerdings weniger lautstark vermittelt wird, ist dass die Bank dem Kunden natürlich nicht im Rahmen einer großzügigen Werbungsaktion ein paar Millionen aus einem schlecht gelaufenen Altgeschäft erlassen hat. Wahr ist vielmehr, dass sie den negativen Marktwert des Altgeschäftes in den Neuabschluss einstrukturiert hat.
Mit anderen Worten: Der Kunde schließt ein Neugeschäft ab, dessen Konditionen so massiv zu seinen Ungunsten abgeändert worden sind, dass er von Vornherein wieder mit einem Millionenverlust in Form eines negativen Marktwertes startet.
Darf’s noch ein bisschen mehr sein?
Unerwähnt bleibt meist auch die Tatsache, dass die Bank für eine Restrukturierung nicht selten erneut eine Eigenmarge einstrukturiert. Zu dem negativen Marktwert des Altderivats wird dem unwissenden Kunden also auch noch eine versteckte Abschlussmarge in seinen neuen Vertrag eingebaut.
If you are in trouble, double…
Damit das von Altverlusten belastete Neugeschäft überhaupt noch zu optisch unverdächtigen Konditionen an den Kunden vermarktet werden kann und so etwas wie die vage Aussicht entsteht, dass das Geschäft eines Tages doch mit einer schwarzen Null beendet werden kann, ist es häufig nötig, das Nominal zu erhöhen oder die Laufzeiten zu strecken, um eine Hebelung der sog. Duration zu erreichen.
Gerade bei öffentlichen Kontrahenten, die rechtlich bedingt immer als Festzahler agieren müssen, bedeutet dies aber, dass dem Kunden erneut eine Positionierung empfohlen wird, deren Risikoexposition der des Verlustbringenden Altderivats ähnelt, nun jedoch stärker gehebelt ist. Die schleichende Eskalation von immer höheren Derivatverlusten überrascht vor diesem Hintergrund nicht.
Griechenland als warnendes Beispiel
Eine interessante Parallele zu den Restrukturierungen, die gerade den Kämmerern eine dringende Warnung sein sollte, findet sich übrigens in der Aufarbeitung der Griechenland-Krise. Hierzu liest man im Handelsblatt:
Bei dem Swap ging es darum, Schulden im Wert von rund zehn Mrd. Dollar, die in US-Dollar und in Yen denominiert waren, in Euro umzuwandeln. Dabei legte Goldman allerdings Wechselkurse zugrunde, die unter dem tatsächlichen Marktpreis lagen. Auf diese Weise kam die griechische Regierung in den Genuss einer hohen Einmalzahlung, die quasi einem Kredit von Goldman Sachs entsprach.
Die von Goldman entwickelte Struktur entsprach damit in allen wesentlichen Punkten der von mir geschilderten Restrukturierungspraxis: Eine dem Kunden eingeräumte Einmalzahlung (bei konventioneller Restrukturierung der Erlass einer Auflösungszahlung) wird in ein lang laufendes Derivat einstrukturiert, indem die Geschäftskonditionen so marktfern zu Lasten des Kunden gewählt werden, dass der Kunde nicht nur die Einmalzahlung selbst sondern auch eine üppige Bankmarge über die Laufzeit des Derivats abstottern muss.
Auch die griechische Regierung war im Moment der Restrukturierung vermutlich erleichtert darüber, dass ihnen findige Finanzmathematiker in der Londoner City dabei geholfen hatten, ihre Verbindlichkeiten einfach irgendwie in den Orbit zu schießen. Rund zehn Jahre später, wurde dann klar, dass derartige Restrukturierungen leider doch keine Kühe sind, die im Himmel geweidet und auf Erden gemolken werden.